[Landarbeiterleben] [Lebensbedingungen der Moorkolonisten] [Konfessionsvielfalt Neustadtgödens] [Die Römer über Ostfriesland]
[Häuptlinge][Herrlichkeit Jever] [Küstenschifffahrt früher] [Upstalsboom] [Störtebeker

Küstenschifffahrt früher und heute

Noch Mitte des 19. Jahrhunderts wurden die Waren größtenteils auf den Wasserstraßen transportiert. Der Grund: Wasserwege waren vorhanden, während die Straßen und Eisenbahnschienen erst später angelegt wurden. Tief eingeschnittene Buchten machten die Beschiffung mit den relativ kleinen Schiffen bis an viele Siedlungen und Höfe möglich. Die Abwicklung der Geschäfte über den Seeweg war lebensnotwendig, da die Infrastruktur des Binnenlandes unzureichend war.

Nach der Eindeichung um 1000 n. Chr. konzentrierte sich die Schifffahrt zwangsläufig an den Deichdurchlässen, den Sielen. An den Sielen münden die Tiefs, die der Entwässerung der Marsch dienen. Zu diesen schiffbaren Gewässern gehören die Außentiefs, die sich seewärts hinter den Schleusen befinden. Nur hier war das Erreichen der Küste aufgrund der Wassertiefe möglich.



Die Karte der jeverländischen Sielorte stammt aus dem Jahr 1858

Hauptprodukte aus der Marsch waren Getreide, Milchprodukte, Fleisch und andere landwirtschaftliche Erzeugnisse. Der Bevölkerung konnte im Gegenzug Holz aus Skandinavien, Manufakturwaren aus England sowie Kolonialwaren aus Hamburg, Bremen und anderen Hansestädten angeboten werden. Zusätzlich wurde Torf aus den Fehngebieten sowie Ziegel aus den vielen Ziegeleien Ostfrieslands und Frieslands transportiert.
Durch das Fehlen der Infrastruktur im Hinterland waren die Sielhafenorte nur von regionaler Bedeutung. In diesen Orten bildeten sich trotzdem einflußreiche Kaufmanns- und Schifferfamilien, die teilweise sogar in Übersee tätig wurden.

Mit dem Einsatz der Dampfer ab ca. 1850 stiegen die Probleme der Küstenschiff-fahrt. Die Sielhäfen konnten wegen der mangelnden Tiefe von Dampfern nicht angelaufen werden. Die Vertiefung der Häfen hatte ein größeres Hinterland als Absatzmarkt erfordert. Durch den Ausbau des Straßennetzes sowie die Einweihung der Eisenbahnlinie Oldenburg - Wilhelmshaven im Jahr 1867 und Sande - Jerver kam für die Schifffahrt nochmals Hoffnung.

 

Billiger, amerikanischer Weizen überschwemmte den europäischen Markt - ein Grund für die endgültige Abkehr der Sielhäfen war vorprogrammiert. Mit der Produktionsumstellung der Bauern änderte sich auch ihr Absatzmarkt, der nun hauptsächlich ins Ruhrgebiet verlagert wurde. Diese Änderung der Märkte war inzwischen durch die gebauten Straßen und Eisenbahnschienen möglich. Die Gründung des deutschen Reiches 1871 mit den Reichszöllen brachte das endgültige Aus für die Sielhäfen. Die Küstenorte mußten sich mehr und mehr Richtung Binnenland orientieren.