Lutherkirche Leer

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Eine neue Orgel im alten Kleid -
Gedanken des Orgelbauers
von Dr. h. c. Jürgen Ahrend, Orgelbaumeister aus Leer-Loga

Die Lutherkirche in Leer hat bezüglich ihrer Orgeln einmal bessere Zeiten gesehen: Im Jahre 1714 wurde eine Orgel vollendet, die von keinem Geringeren als Arp Schnitger aus Hamburg gefertigt worden war. Das Instrument besaß 18 Register aus Hauptwerk und Brustwerk und hatte ein angehängtes Pedal. Der Prinzipal war aus Zinn. Die Orgel entstand, nachdem im Jahr 1710 die Schnitger - Orgel in Weener gebaut worden war.
Interessant ist, dass dann 20 Jahre später ein zunächst stummes Rückpositiv angeschafft wurde, was die Reformierten wegen der hohen Kosten als „sehr anstößig“ bezeichneten. Die Schnitger - Fassade in der Lutherkirche wurde durch diese Erweiterung sicherlich prächtiger als die Orgelfassade in der Reformierten Kirche.
Keine dieser Orgeln, auch nicht die in Weener, verfügte bis zu diesem Zeitpunkt über ein freies Pedalwerk. Das änderte sich, als 1782 Johann Friedrich Wenthin aus Emden an die Arp Schnitger - Orgel in Weener zwei prächtige Pedaltürme im Stil der Zeit anfügte, eine erfolgreiche Erweiterung, die sich bis heute großer Wertschätzung erfreut. Mit Wenthin gab es um 1790 auch in der Lutherkirche Gespräche. Warum es dort nicht zu einem Beschluss mit ähnlichem Konzept kam und warum man sich statt dessen nach anfänglichen Umbauplänen von der Schnitger - Orgel ganz trennte, ist bisher unbekannt. Wahrscheinlich waren stilistische Gründe ausschlaggebend: Zum Ausgang des 18. Jahrhunderts liebte man neben der Barockmusik besonders auch die galante Musik, wofür ein Bordun 16’ sowie Gamben und Traversflöten wünschenswert gewesen wären. Über genau diese Stimmen verfügte die Schnitgerorgel nicht. Hinrich Justus Müller sollte für etwas Neues sorgen. Ansässig in Wittmund, hatte er sich in 30-jähriger Tätigkeit solides Können erworben und war, nach seinem Konzept zu schließen, zwar noch der Barockorgel verpflichtet aber auch „up to date“. Die von ihm 1795 geschaffene Rokoko-Fassade passte stilistisch „in die Landschaft“. Diese Orgel hat sich über etliche Generationen erhalten. Die zinnernen Prospektpfeifen mussten bedauerlicherweise 1917 ab die Heeresverwaltung abgegeben werden. Warum aber das Müller’sche Orgel-Innenwerk entfernt wurde, ist nicht ohne weiteres nachvollziehbar.

Hinter der eleganten Fassade ein nicht adäquates Orgelwerk, wie es das 20. Jahrhundert schließlich hervorgebracht hatte, konnte keine Dauerlösung sein. Nicht nur weil Adel verpflichtet, sondern auch weil dadurch eine weitaus schönere Kirchenmusik möglich werden würde, entschied sich der Kirchenvorstand für den Bau eines neuen Orgelwerkes „in altem Kleid“.

 

 

 

Für die Verantwortlichen löste dieser Entschluss eine Lawine von Arbeit aus, die von den Mitgliedern des Orgelbau-Förderkreises vorbildlich geleistet wurde. Auch für unsere, ansonsten erfahrene Werkstatt, entstand eine Herausforderung nicht alltäglicher Art: Als drittes Manualwerk sollte für die Interpretation der romantischen Orgelliteratur ein großes Schwellwerk - für uns etwas Neues - auf Anhieb gelingen.

Indes sind fremde Disziplinen für uns nicht ungewöhnlich: Eine neue Orgel nach Andreas Silbermann in der Kathedrale Lyon, ein Neubau nach Gottfried Silbermann in Porrentruy in der Schweiz oder auch eine Orgel in italienischem Stil in der großen romanischen Abteikirche in Payerne / Schweiz waren gelungene Beispiele.

Der Erwartung der Gemeinde sowie der Fachwelt auf eine erstklassige Qualität von Material, Technik und Klang wurde natürlich Rechnung getragen. Im Hinblick auf die eigene Stadt käme etwas anderes wohl kaum in Frage. Jetzt steht nach 1,5 jähriger Bauzeit das Ergebnis vor Augen und Ohren: Die Frontpfeifen im restaurierten historischen Gehäuse aus reinem Zinn, in unserer Werkstatt gegossen, bieten wieder den prächtigen Anblick wie im Jahre 1795.

Kommt man oben zur Orgel, so fällt eine elegante, kunstvoll gearbeitete Spielanlage auf. 42 aus Ebenholz gedrechselte Registergriffe, mit Knochenplatten belegte Manualtasten, eingefasst von intarsiengeschmückten Klaviaturrahmen laden inspirierend zum Orgelspiel ein. Dem Kundigen fällt die Verwendung von erstklassigem Eichenholz für die Rehabilitierung des Gehäuses und dessen Erweiterung um das große Schwellwerkgehäuse auf.

Die einzelnen Windladen mit ihren Pfeifenwerken liegen wieder an den historisch angestammten Plätzen. Ein drittes Manualwerk geht über das historische Konzept hinaus, nämlich das schon genannte acht Fuß hohe Schwellwerk großen Ausmaßes, aufgestellt in einem mit Jalousien versehenen Gehäuse hinter dem Hauptwerk. Die Klangstärke der dreizehn zu diesem Werk gehörenden Stimmen ist zum Pianissimo abschwellbar. Der Orgelspieler bedient diese Einrichtung über eine Art „hölzernes Gaspedal“.

Das neue Orgelwerk im Gehäuseinneren ist mit 39 Registern, verteilt auf drei Manualwerken und dem Pedal einer Stadtkirche mit der Besetzung durch einen Kirchenmusikdirektor angemessen. Das klangliche Konzept dieser Orgel in Verbindung mit seiner Ausführ4ung wird die Interpretation des Orgelrepertoires von der Barockzeit bis heute in idealer Weise ermöglichen. So meine ich, sagen zu dürfen, dass das Instrument wieder an seine besten Zeiten anknüpft und als ein weiterer Mosaikstein die ostfriesische Orgellandschaft bereichern wird.

Informationen zum Orgelaufbau am Beispiel der Mathis Orgel, Bruneck 
detailiertere Beschreibung eines Orgelaufbaus 
kleines Orgel - Lexikon

Hörbeispiele*,
gespielt von Kirchenmusikdirektor Martin Meier:
Präludium G-Dur BWV 541 — J. S. Bach — 3:15
Macht hoch die Tür — H.-F. Micheelsen — 1:12
Nun bitten wir den Heilgen Geist — J. S. Bach — 2:30
*das Laden der Musik kann einen Moment dauern,
  es wird dafür ein separates Fenster geöffnet !
  M
it freundlicher Genehmigung von Herrn KMD M. Meier